Ratgeber: Testamentsgestaltung für Patchworkfamilien

Es gibt inzwischen immer mehr Patchworkfamilien, also Familien, der der mindestens einer der Partner Kinder mit in die neue Beziehung gebracht hat.

Bei der Testamentsgestaltung ist die besondere Situation einer Patchworkfamilie stets zu berücksichtigen. Denn die gesetzlichen Erbfolge oder auch ein Berliner Testament ist auf die – vor den Augen des Gesetzgebers – „klassische“ Familie mit ausschließlich gemeinsamen Kindern ausgerichtet. In Patchworkfamilien führt beides zu meist unvorhergesehenen und unliebsamen Folgen.

Hier erfahren Sie, warum die gesetzliche Erbfolge und das Berliner Testament in der Regel für die Patchworkfamilie ungeeignet sind und wie die erbrechtliche Gestaltung in der Patchworkfamilie gelingen kann.

Inhaltsverzeichnis
I. Warum sind Testamente für Patchworkfamilien sinnvoll?
II. Was gibt es beim Testament für Patchworkfamilien zu beachten?
III. Ehepaar mit jeweils einseitigen Kindern
IV. Beide Partner haben Kinder aus früheren Beziehungen oder Ehen, sind aber nicht verheiratet
V. Welche Besonderheiten gibt es im Hinblick auf Testamente für Patchworkfamilien noch zu beachten?
VI. Welche Erbschaftsteuerfreibeträge gelten bei Patchworkfamilien?


I. Warum sind Testamente für Patchworkfamilien sinnvoll?

Besteht kein Testament, tritt die gesetzliche Erbfolge ein.

Ist ein Paar im gesetzlichen Güterstand verheiratet, erbt in der Regel der Ehepartner ½, die andere Hälfte teilt sich auf die Kinder des Verstorbenen auf. Ist das Paar unverheiratet, erbt der Partner im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge nichts, das gesamte Vermögen des Verstorbenen fällt an dessen Kinder.

Je nachdem, wo welche Kinder vorhanden sind und ob die Partner verheiratet sind, kann die gesetzliche Erbfolge je nach Patchworkfamilie also komplett unterschiedlich ausfallen. Wer von der gesetzlichen Erbfolge abweichen möchte, muss daher ein Testament errichten. Dann gilt statt der gesetzlichen Erbfolge grundsätzlich das, was man in seinem Testament verfügt hat. Dabei kann man nicht nur einen oder mehrere Personen als Erben benennen, sondern auch einzelne Gegenstände verteilen, einen Verwalter für den Nachlass benennen oder Expartner ausschließen.

Da es nicht „die“ Patchworkfamilie gibt, sondern jede Familie unterschiedlich ist und unterschiedliche Vermögen und Ziele hat, gibt es für die Patchworkfamilie auch nicht „das“ eine Testament. Wir raten Ihnen daher grundsätzlich von der Verwendung von im Internet angebotenen Testamentsmustern ab. Ihre besondere Situation und Ihre Wünsche werden mit solchen Mustern in aller Regel nicht abgedeckt.

Gerne beraten wir Sie zu Ihrem Testament in der Patchworkfamilie und geben Ihnen in einer individuellen Beratung konkrete Hinweise für Ihre Situation.


II. Was gibt es beim Testament für Patchworkfamilien zu beachten?

Im Wesentlichen lassen sich Patchworkfamilien in zwei Gruppen teilen: Verheiratete und unverheiratete Paare.

Anders als Ehepartner können unverheiratete Partner kein Ehegattentestament erstellen. Ihnen bleibt nur die Möglichkeit von Einzeltestamenten oder einem notariell beurkundeten Erbvertrag.

Anschließend ist die Familiensituation zu klären:

  • Sind die Partner verwitwet oder geschieden?
  • Wer bringt welche Kinder mit?
  • Gibt es gemeinsame Kinder?
  • Gibt es noch minderjährige Kinder?
  • Lebt der andere Elternteil von Kindern aus anderen Beziehungen noch?
  • Zu welchen Kindern besteht Kontakt, bzw. welche Kinder sollen Erben bzw. ausgeschlossen werden?
  • Wurden Kinder adoptiert? Wenn ja, im Wege der Minderjährigen- oder Erwachsenenadoption?

Bei der Testamentsgestaltung ist auch die Vermögenssituation der Partner relevant, z.B.:

  • Wem gehört welches Vermögen? Wer hat z.B. welche Konten? Gibt es Gemeinschaftskonten?
  • Sind Immobilien vorhanden?
  • Ist einer der Partner selbständig tätig oder an einem Unternehmen beteiligt?
  • Gibt es Vermögen im Ausland?
  • Wurden (Lebens-)Versicherungen abgeschlossen, bei denen ein Bezugsberechtigter benannt ist?

Am Wichtigsten bei der Testamentsgestaltung sind jedoch die Ziele der Testierenden, z.B.:

  • Inwieweit soll und muss der Partner abgesichert werden?
  • Soll der Überlebende eine Immobilie noch verkaufen können?
  • Soll er das Testament noch ändern können?
  • Welche Kinder sollen bedacht, welche ggf. ausgeschlossen werden?
  • Wie wird mit etwaigen Pflichtteilsansprüchen umgegangen?
  • Sollen diese möglichst niedrig gehalten werden?
  • Fällt voraussichtlich Erbschaftsteuer an und soll diese wenn möglich vermieden werden?

Erst nach Klärung dieser Punkte kann ein Testament erstellt werden, dass zu Ihrer individuellen Familiensituation passt und alle Ziele juristisch sicher erreicht.

Bitte haben Sie vor diesen Hintergrund Verständnis dafür, dass wir Ihnen leider keine Muster oder Musterformulierungen zur Verfügung stellen können, ohne vorab alle relevanten Fragen mit Ihnen in einem Gespräch geklärt zu haben.

Nachfolgend finden Sie dennoch typische Situationen mit entsprechenden Lösungsansätzen.


III. Ehepaar mit jeweils einseitigen Kindern

Familiensituation:

Ehepaar, verheiratet in 2. Ehe im gesetzlichen Güterstand. Beide Partner haben aus der ersten Ehe 2 Kinder, gemeinsame Kinder gibt es nicht.

Gesetzliche Erbfolge:

Stirbt der Ehemann entsteht eine Erbengemeinschaft bestehend aus der Ehefrau und den Kindern des Erblassers. Dabei erbt die Ehefrau ½ des Vermögens des Ehemannes. Die andere Hälfte fällt dessen beiden Kindern zu, jedes Kind des Erblassers erhält also ¼. Die Kinder der Ehefrau erhalten nichts. (Anders wäre dies nur, wenn der Ehemann die Kinder der Ehefrau adoptiert hätte.) In der Erbengemeinschaft sind Entscheidungen grundsätzlich einstimmig, mindestens aber mehrheitlich zu treffen. Die Kinder sind also bei der Verwaltung des Nachlasses zu beteiligen. Eine Auseinandersetzung, d.h. Aufteilung des Erbes ist nur einstimmig oder nach den gesetzlichen Reglungen (Achtung: Teilungsversteigerung!) möglich.

Stirbt nun die Ehefrau fällt deren Vermögen (inklusive dessen, was sie von dem Ehemann geerbt hat), ihren beiden Kindern zu je ½ zu. Die Kinder des Ehemannes gehen leer aus. Es hängt daher vom Zufall ab, welche Kinder wie viel erhalten. Weder eine Gleichbehandlung der Kinder, noch ein Ausschluss einzelner Kinder wird mit der gesetzlichen Erbfolge erreicht.

Lösungsansätze:

Zunächst sind die Ziele der Testierenden zu klären. Je nach Zielen wird das Testament häufig völlig unterschiedlich ausfallen.

Variante 1: Gegenseitige Absicherung und Gleichbehandlung der Kinder
Wollen die Partner sich gegenseitig absichern und alle vier Kinder gleichbehandeln, so wird in der Praxis häufig die sog. Vor- und Nacherbfolge gewählt. Der Ehepartner wird Erbe, aber nur Vorerbe. Nach- und Schlusserben nach dem Tod des Letztversterbenden werden alle vier Kinder. 

Achtung: Dies ist kein Berliner Testament!

Der Vorerbe darf in der Regel den Nachlass nur nutzen, aber nicht verbrauchen (z.B. Immobilien bewohnen und vermieten, aber nicht verkaufen, bei Finanzvermögen dürfen in der Regel nur die Erträge, also Zinsen verbraucht werden). Der Nachlass stellt ein Sondervermögen dar, dass beim Tod des Vorerben an die Nacherben fällt. Darüber hinaus sieht das Gesetz im Gegensatz zu einem Vollerben noch weitere Beschränkungen vor. Von den Beschränkungen kann der Vorerbe weitestgehend befreit werden.

Da Laien die komplexe Vor- und Nacherbschaft und deren Unterschiede zu einem Vollerben nicht kennen bzw. vollständig überblicken, ist in einer solchen Situation die Beratung durch einen Erbrechtsexperten dringend empfehlenswert. So können Sie klären, ob diese Gestaltung auch wirklich zu Ihren Zielen passt bzw. welche Alternativen in Ihrer Situation bestehen.

Variante 2: Das Vermögen der Ehepartner ist ungleich verteilt (z.B. jeder Ehepartner hat eine eigene Immobilie) und soll jeweils nur den eigenen Kindern zufallen.

Auch hier könnte die Vor- und Nacherbfolge genutzt werden, wobei diesmal aber nicht alle Kinder, sondern nur die eigenen Kinder des Verstorbenen Nacherben werden. Also: Der Ehemann benennt die Ehefrau zur Vorerbin und seine Kinder zu Nacherben, die Ehefrau benennt den Ehemann zum Vorerben und ihre Kinder zu Nacherben. Das Vermögen des Erstversterbenden geht also – ungeschmälert durch Pflichtteilsansprüche des Letztversterbenden nach dessen Tod direkt an die Kinder des Erstversterbenden.

Alternativ könnten in einer solchen Situation auch direkt nach dem Tod des Erstversterbenden dessen Kinder Erben werden und der Ehepartner über Vermächtnisse abgesichert werden, z.B. ein Wohn- oder Nießbrauchrecht, ein Anteil des Finanzvermögens des Ehemannes, der Hausrat etc. So kann dem Ehepartner passgenau der Anteil des Vermögens zugesprochen werden, den er zu seiner Absicherung braucht. Die Position des Ehepartners kann bei Bedarf durch weitere Regelungen (z.B. Testamentsvollstreckung) zu seinen Gunsten verbessert werden.

Vorteil dieser Gestaltung ist, dass in der Regel kein Raum mehr für Pflichtteilsansprüche der Kinder mehr ist, da diese Ihr Erbe direkt erhalten.


IV. Beide Partner haben Kinder aus früheren Beziehungen oder Ehen, sind aber nicht verheiratet

Familiensituation:

Unverheiratetes Paar. Einer der Partner ist verwitwet, bezieht Witwenrente und hat aus der ersten Ehe 3 Kinder. Der andere Partner ist geschieden und hat ein Kind aus erster Ehe. Gemeinsam Kinder sind nicht vorhanden.

Gesetzliche Erbfolge:

Stirbt ein Partner, geht der andere nach der gesetzlichen Erbfolge grundsätzlich leer aus. Erben werden nur das oder die Kinder des Verstorbenen. Diese können den Partner z.B. aus der Immobilie werfen und den Hausrat an sich nehmen. Streit ist hier vorprogrammiert.

Lösungsansätze:

Häufiges Ziel ist hier die angemessene Absicherung des Partners. Das Vermögen im Wesentlichen soll aber schlussendlich häufig nur den eigenen Kindern zufallen.

Zwar ist dann auch hier die Vor- und Nacherbfolge denkbar (s.o.), diese führt aber in der Regel zu erheblichen steuerrechtlichen Nachteilen. Denn der unverheiratete Partner hat lediglich einen Freibetrag von 20.000 € (Ehepartner zum Vergleich: 500.000 €)

Viel häufiger wird in einer solchen Situation aber mit der Vermächtnislösung gearbeitet: Erben werden die Kinder des Verstorbenen, der Partner erhält nur einzelne Vermächtnisse, z.B. Hausrat, Teile des Finanzvermögens oder ein Wohnungsrecht. Dies ist steuerlich in der Regel erheblich günstiger für den Partner.

Wichtig: Unverheiratete Partner können kein gemeinsames Testament errichten, sondern lediglich in Einzeltestament oder einem Erbvertrag Verfügungen treffen. Einzeltestamente können durch den Testierenden jederzeit widerrufen werden, auch ohne, dass der Partner davon Kenntnis hat. Eine dem Ehegattentestament entsprechende Bindungswirkung (nur gemeinsame Änderung) kann daher nur mit einem notariell zu beurkundenden Erbvertrag erreicht werden.

Achtung: Besonders in Patchworkfamilien sind die Pflichtteilsansprüche der Kinder im Auge zu behalten – sowohl beim Tod des Erstversterbenden als auch nach dem Tod des Letztversterbenden! Ein Pflichtteilsrisiko besteht insbesondere für den längerlebenden Partner, da Kinder auch die Nacherbschaft oder Vollerbschaft (wegen der Vermächtnisse zugunsten des Partners) ausschlagen und stattdessen ihren Pflichtteil einfordern können.

Das Risiko kann durch die richtige Gestaltung des Testaments vermindert oder durch einen notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag mit den Kindern gänzlich ausgeschlossen werden.

Gerne unterstützen wir Sie auch bei Maßnahmen zur Verminderung des Pflichtteilsrisikos oder zur generellen Verminderung von Pflichtteilsansprüchen.


V. Welche Besonderheiten gibt es im Hinblick auf Testamente für Patchworkfamilien noch zu beachten?

Ist ein Partner verwitwet, könnten frühere gemeinschaftlich errichtete Testamente der Errichtung eines neuen Testaments im Wege stehen.

Trotz Scheidung könnte ein zuvor errichtetes gemeinschaftliches Testament weiterbestehen. Das ist zwar in der Regel nicht der Fall, aber durchaus möglich. Es muss also vor der Errichtung eines neuen Testaments geprüft werden, ob (und wenn ja, welche) Regelungen aus früheren Testamenten berücksichtigt werden müssen.

Etwaige noch nicht erfüllte Unterhaltsansprüche gegen einen der Partner können durch den Ex-Ehegatten gegebenenfalls auch noch nach dessen Tod gegen die Erben des Verstorbenen geltend gemacht werden.
Bei minderjährigen Kindern aus früheren Beziehungen kann nach dem Tod des einen Elternteils der Ex-Partner sorgeberechtig sein – und damit indirekten Zugriff auf den Nachlass erhalten. Dies kann durch Regelungen im Testament vermieden werden.

Sterben nach den Partnern minderjährige bzw. selbst kinderlose Kinder, so kann der Ex-Partner (also weitere Elternteil dieses Kindes) erbberechtigt sein. Auch dies kann durch Regelungen im Testament vermieden werden.


VI. Welche Erbschaftsteuerfreibeträge gelten bei Patchworkfamilien?

Die Freibeträge des Partners sind davon abhängig, ob die Partner verheiratet sind:

  • Verheiratete haben einen Erbschaftsteuerfreibetrag von 500.000 Euro
  • Sind die Partner nicht verheiratet, haben sie lediglich einen Erbschaftsteuerfreibetrag von 20.000 Euro.
  • Leibliche Kinder und Stiefkinder (wenn ein leibliches Elternteil mit dem Stiefelternteil verheiratet ist) haben einen Erbschaftsteuerfreibetrag von 400.000 Euro.
  • Kinder des unverheirateten Partners haben lediglich einen Freibetrag von 20.000 Euro

Eine Heirat kann sich in Patchworkfamilien aus erbschaftsteuerlicher Sicht daher ggf. lohnen (Achtung: etwaige Witwenrente und Bezüge vorher prüfen!).


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Als Notare in Pinneberg beraten wir Patchworkfamilien gern bei der Testamentsgestaltung und führen die benötigten Beurkundungen durch. Nehmen Sie einfach Kontakt zu uns auf. 

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